Zu flache Vorderhufe

Öffentliches Forum für Fragen rund um die Gesundheit der Hufe Ihrer Pferde
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Konik
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Registriert: 18.03.2023, 10:12

Zu flache Vorderhufe

Beitrag von Konik »

Hallo,
ich habe eine fast 8-jährige Konikstute. Sie hat an sich tolle, harte Hufe und läuft super Barhuf. Leider weisen ihre Vorderhufe einen viel zu flachen Winkel auf. Die Stute kam aus einem Beweidungsprojekt und lebte dort bis 4-jährig "wild" in der Herde. Die Hufe waren, als ich sie bekam, besonders vorne, sehr viel zu lang, da sie nie bearbeitet wurden und die Böden wohl auch eher weich sind dort (Sand, Heide). Seit sie bei mir ist werden die Hufe regelmäßig alle 7 Wochen von einer Hufpflegerin bearbeitet. Ich hatte die Hoffnung, dass bei einem so jungen Pferd sich der Hufwinkel noch verbessern lässt. Etwas verbessert zu der Anfangssituation hat es sich natürlich auch, aber der flache Winkel so wie er jetzt ist, bleibt bestehen. Meine Hufpflegerin kürzt vornehmlich die vordere Hufwand und Sohle sowie Strahl und Eckstreben. Hinten nimmt sie nichts oder fast nichts weg, um den Winkel nicht noch weiter zu verschlechtern.
Haben Sie eine Idee, was verändert werden müsste, um den Hufwinkel steiler zu bekommen?
Momentan hat meine Stute keine Probleme beim Laufen aber ich mache mir Gedanken, dass die ungünsitge Hufform Spätfolgen haben könnte. Was raten Sie mir?
Viele Grüße
Lina Schräder
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Nadja Politz
Beiträge: 130
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Re: Zu flache Vorderhufe

Beitrag von Nadja Politz »

Hallo Frau Schräder,

die Winkelung von Hufen ist zu einem sehr großen Teil genetisch bestimmt. Hinzu kommen dann die Bedingungen beim Aufwachsen. Mit 8 Jahren ist ihr Pferd allerdings definitiv ausgewachsen und alles was wir hufewärts nun vorfinden, muss als gegeben akzeptiert werden.

Sicherlich kann man sich überlegen, dass ein etwas steilerer Huf doch günstiger wäre für die gesunde Belastung von Gelenken, Bändern und Sehnen. Man möchte vermuten, dass der flachere Hufwinkel all diese Strukturen doch stärker/zu stark belastet. Und wenn man versucht rein physikalisch die Kräfte auszurechnen, die bei einem flacher gewinkelten Huf wirken, dann kommt man womöglich auf die gleiche Idee. Aber mit diesen Ideen denkt man auch ein stückweit an der Biologie vorbei. Denn das Pferd ist die wichtigste Zeit seines Aufwachsens mit diesen eher flachen Hufen unterwegs gewesen. Das heißt alle Strukturen des Hufes, Beines und Körpers sind an diese Situation angepasst worden. So werden die Sehnen ggf. etwas länger sein, als bei einem Pferd mit steileren Hufen und die einzelnen Fasern der Gewebe werden eine etwas andere Ausrichtung haben, als bei einem anderen Pferd. Nämlich die zu ihrem Pferd genau passende. Alle Gelenke, Bänder, Muskeln und sonstige beteiligte Gewebe sind genau an diese Situation angepasst.

Dennoch bleibt die durchaus korrekte Idee, dass ein etwas steilerer Huf grundsätzlich günstiger gewesen wäre. Wir haben ihn aber nunmal nicht. So hat ja jedes Lebewesen seine körperlichen Stärken und Schwächen. Den gewünschten steileren Huf künstlich herzustellen (zum Beispiel durch Beschlag oder ständiges Kürzen der Zehe) würde jedoch allen angepassten Strukturen widersprechen und dem Pferd nichts nutzen, sondern langfristig sogar schaden. Auch das Schonen der Trachten und nur Kürzen der Zehe wird (Sie haben es ja auch schon richtig beobachtet) nicht zu einem steileren Huf führen. Schlicht, weil das Pferd ihn nicht „gebrauchen“ kann und ihn sich ratzfatz wieder so hinläuft, wie es ihm nunmal am bequemsten ist. Nämlich flach.

Aber wie kann man nun mit der nicht ganz so günstigen Ausgangssituation umgehen?
Das Pferd sollte beispielsweise nicht schwerer sein, als es eh gesund ist für Pferde. Jedes zusätzlich dauerhaft herumzutragende Gewicht schadet mehr als es nutzt. Es sollte auch nicht unbedingt ein Spring- oder Polopferd werden oder andere Aufgaben bekommen, bei denen die Strukturen der Beine und Hufe extrem belastet werden. Aber ich spreche hier wirklich von Extremen! Ganz sicher kann ihr Pferd ein langes gesundes Freizeit-Reitpferdeleben führen. Am besten mit viel Bewegung, das strafft die Gewebe und hält sie fit.
Regelmäßige Hufpflege sollte dafür sorgen, dass die Hufe nicht „zu lang“ werden, also keinen zu langen Tragrandüberstand bekommen, welcher das ungünstige Hebelverhältnis dann noch verschlechtert. Im Sommerhalbjahr, wenn die Hufe schneller wachsen, könnte es also vielleicht klug sein, etwas kürzere Bearbeitungsintervalle einzuhalten, als im Winter. Vielleicht hat ihr Pferd aber auch stets genug Abrieb und hält sich die Hufe selber schon immer recht kurz. Das wäre bei so einer Hufsituation jedenfalls ratsam. Die Hufe immer schön kurz und gepflegt halten.

Viele Grüße
Nadja Politz
Konik
Beiträge: 4
Registriert: 18.03.2023, 10:12

Re: Zu flache Vorderhufe

Beitrag von Konik »

Hallo Nadja Politz,
vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort.
Mehr oder weniger ist das auch was ich mit meiner Hufpflegerin besprochen habe. Das wir halt gucken, dass die Hufe nicht zu lang werden, wenn nötig die Intervalle verkürzen. Das sich aber wohl generell am flachen Winkel nicht viel verändern wird und dies eben die Hufform meines Pferdes ist.
Noch eine Frage: Würden sie empfehlen nicht nur die Zehe, sondern auch die Trachten regelmäßig zu kürzen? Auch wenn dies erstmal den Huf noch flacher macht?

Da meine Stute sowieso ein leichtfuttriges Pferd ist und bei zu viel Gras sicher auch ein Rehekandidat wäre passe ich auf das Gewicht sowieso auf (Portionsweide) und auch an regelmäßiger Bewegung scheitert es nicht. Sie steht fast immer draußen, nur einige Monate im Winter im Offenstall und wird mehrmals die Woche im Gelände bewegt. Ich mache mit ihr auch mehrtägige Wanderritte, die sie bisher Barhuf gut mitgemacht hat. Für die Wanderritte möchte ich mir aber noch geeignete Hufschue anschaffen, da man ja oft harte Böden und Schotter vorfindet. Beschlagen lassen möchte ich mein Pferd nur sehr ungern, da sie dies eigentlich nicht benötigt und von Natur aus sehr gutes Hufmaterial hat. Meine Überlegung war, ob ein orthopädischer Beschlag nötig sein könnte, z.B. mit Keil. Ich bin froh, wenn dies nicht so ist. Ihre Antwort hat mir da die Sorge genommen.
Sicher "jammere" ich auf hohem Niveau, wenn ich mir die Geschichten und Fotos der anderen Pferde im Forum so ansehe. Dennoch war mir eine zweite Meinung nochmal wichtig.
Vielen Dank!
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Nadja Politz
Beiträge: 130
Registriert: 26.02.2016, 12:35
Wohnort: Großweitzschen, Sachsen

Re: Zu flache Vorderhufe

Beitrag von Nadja Politz »

Hallo Frau Schräder,

auf ihre Frage: „Würden sie empfehlen nicht nur die Zehe, sondern auch die Trachten regelmäßig zu kürzen?“ antworte ich mit: ja!
Den Zusatz: „Auch wenn dies erstmal den Huf noch flacher macht?“ – gehe ich aber so nicht mit!

Der Huf wurde, so schrieben Sie, bislang bei der Hufpflege in der Zehe gekürzt und in der Trachte geschont. Das Ziel war es, ihn damit steiler zu stellen. Dies ist kurz nach der Bearbeitung sicherlich dann auch so gewesen. Langfristig hat sich ihrer Beobachtung nach jedoch nichts an der Winkelung der Hufe verändert. Und dies ist ja wie beschrieben auch zu erwarten. Ihr Pferd, das ausreichend Bewegung erfährt, wird sich die „ihm zu hohen“ Trachten vermehrt selbst abgelaufen haben. Um dem Pferd diese „Arbeit“ und die mit jeder Hufbearbeitung immer wiederkehrende „Unruhe“ für alle inneren Strukturen zu ersparen, empfehle ich die Hufe stets gleichmäßig in der Höhe zu kürzen. Dabei kann und soll der Huf natürlich nicht noch flacher werden, da ja in Zehe und Trachte gleich viel Höhe genommen wird. Der Huf soll dann vor und nach der Hufbearbeitung genau den gleichen Zehenwandwinkel aufweisen. In der täglichen Abnutzung wird das Pferd sich die Trachten dann auch nicht mehr wie bisher vermehrt, sondern etwas weniger ablaufen, da sie ihm ja schon bequem sind. Der gewohnte Hufwinkel wird nach wie vor erhalten bleiben.

Ich habe versucht, das auch nocheinmal bildlich darzustellen. Es ist natürlich in 2D nicht so gut möglich eine korrekte Linie zu ziehen. Um zu verdeutlichen, was ich meine und zur besseren Darstellung habe ich das ganze auch etwas überzogen dargestellt und die Linien sind natürlich nur „im übertragenen Sinne“ und für 3D passend zu verstehen.

Viele Grüße
Nadja Politz
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Vorschlag - gleichmäßig in der Höhe kürzen.jpg
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einseitig Zehe kürzen - klappt nicht.jpg
einseitig Zehe kürzen - klappt nicht.jpg
Konik
Beiträge: 4
Registriert: 18.03.2023, 10:12

Re: Zu flache Vorderhufe

Beitrag von Konik »

Hallo Frau Politz,

danke für die Antwort! Ich verstehe, was Sie meinen. Der Huf wird ja durch das insgesammt Kürzen nicht flacher, sonder die Hufstellung bleibt wie sie ist. Das dadurch dem Bewegungsapperat unnötige "Unruhe" oder Umstellung erspart wird, leuchtet ein. Wir werden Ihren Rat berücksichtigen bei der weiteren Hufbearbeitung und außerdem die Intervalle kurz halten, besonders im Sommerhalbjahr.
Toll, dass es dieses Forum gibt!

Viele Grüße,
Lina Schräder
Edwina
Beiträge: 3
Registriert: 17.04.2023, 22:26

Re: Zu flache Vorderhufe

Beitrag von Edwina »

Hallo!
Habe mich in diesem Forum neu registriert und sehe gerade diesen Fall (weil ich auf der Suche nach Info für einen ähnlichen Fall bin).
Mich würde interessieren, ob es Röntgenbilder von der Zehe gibt. Ich vermute es liegt eine Hyperextension im Hufgelenk vor - ?
Und meine darauf folgende Frage an die Huforthopäden wäre: Ist es denkbar daß man durch entsprechende Barhufzubereitung eine vorliegende Hyperextension im Hufgelenk bessern/beseitigen kann? Kennt jemand einen Fall wo das gelungen ist?
Konik
Beiträge: 4
Registriert: 18.03.2023, 10:12

Re: Zu flache Vorderhufe

Beitrag von Konik »

Hallo,
Röntgenbilder gibt es zu den Hufen keine, da das Pferd ja auch keine Schwierigkeiten beim Laufen hat.
LG
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Nadja Politz
Beiträge: 130
Registriert: 26.02.2016, 12:35
Wohnort: Großweitzschen, Sachsen

Re: Zu flache Vorderhufe

Beitrag von Nadja Politz »

Hallo Edwina,

wenn der Verlauf der Zehenachse durch den Huf selber „verstellt“ wird, weil dieser durch unterlassene oder unkluge Hufbearbeitung aus der Form geraten ist, dann wird die Hyperextension recht schnell und einfach hufbearbeiterisch zu beseitigen sein.

Wenn die Zehe des Pferdes aufgrund seiner Genetik, Aufwuchs-Bedingungen, allgemeinen körperlichen Situation o.ä., in Hyperextension zum Boden gebracht wird, eben weil die inneren Strukturen dies so vorgeben und so ausgerichtet und hingewachsen sind, dann wird eine Hufbearbeitung, die diesen Zustand nicht akzeptiert, sondern zu verändern sucht, immer ein Störfaktor sein, der das Pferd zur Kompensation der hufbearbeiterischen „Verbesserungsvorschläge“ zwingt.

Viele Grüße
Nadja Politz
Edwina
Beiträge: 3
Registriert: 17.04.2023, 22:26

Re: Zu flache Vorderhufe

Beitrag von Edwina »

Hallo Frau Politz,
danke für die klare Gegenüberstellung dieser beiden möglichen Ursachen. In unserem Bestreben, sich dem allgemein optimalen Zustand anzunähern, gehen die "natürlichen Ursachen" für individuelle Fehl-/Suboptimalstellungen schnell gedanklich verloren.
In meinem Fall liegt möglicherweise beides vor, mit Hauptgewicht jedoch auf Szenario Nr.2. Die Umstellung auf Barhuf (nach mehreren Jahren mit Keil-Beschlag und entsprechender Huf- und auch biomechanischer Problematik) erfolgte erst vor kurzem, ich werde zu gegebener Zeit vielleicht den Fall hier präsentieren.
LG
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