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Verfasst: 11.10.2021, 08:55
von Alena
Hallo, ich bin eine wissbegierige Pferdebesitzerin und habe sämtliche Artikel auf der DHG Seite gelesen. Besonders interessant fand ich die Ausführungen zum Thema Bockhuf/steiler Huf. Ich hatte 2003 selbst ein Fohlen zur Betreuung, das einen Sehnenstelzfuß erworben hat und lange Zeit mittels Kürzen der Trachten durch eine Hufpflegerin (kein DHG) scheinbar korrigiert wurde. Als diese Hufpflegerin in Urlaub war und sich das dreiwöchige Korrekturintervall verschob, verschlechterte sich der Zustand rapide, die Trachten begannen zu schweben, der Zehenwinkel war beinahe 90°. Das Fohlen kam zur Behandlung in die Klinik Gießen und konnte dank Oxytetracyclin und Dallmer Bockhufschuh noch gerade davor bewahrt werden, eine Durchtrennung des Unterstützungsbandes zu bekommen. Der Züchter ließ anschließend eine Weile mit Halbmondeisen beschlagen, dann wurde das Fohlen verkauft. Vor einem Jahr habe ich die Besitzerin ausfindig gemacht und erfahren, dass sie vom Züchter nicht auf die vergangene Problematik hingewiesen worden war. Über Winter stand das Fohlen auf relativ hartem Boden im Laufstall und es gab keine Probleme, aber auf der Sommerweide entwickelten sich binnen kürzester Zeit erneut 'Bockhufe'. Zum Glück konnte dies wohl noch korrigiert werden, sodass das Pferd zwar eher steile, aber noch normale Hufe entwickelte. Mit diesem Hintergrund interessiere ich mich sehr für Hufbearbeitung. Mir leuchtet ein, dass eine physiologische steile Huf-Fessel-Achse nicht mit aller Gewalt flacher gestellt werden sollte, da die knöchernen Strukturen daran angepasst sind. Aber mich würde interessieren, ob es nicht bei jenen Pferden, wo die Huf-Fesselachse gebrochen ist und die Sehnen enormen Zug auf das Hufbein ausüben, sodass sich die Hufstellung immer wieder Richtung Bockhuf verändert, eine Therapie mit Oxytetracyclin eine Therapiemöglichkeit wäre. Soweit mir bekannt wird das Mittel nur bei Fohlen verwendet und ich wüsste gerne ob es einen Grund dafür gibt. Viele Grüße Alena

Verfasst: 12.10.2021, 10:53
von Konstanze Rasch
Hallo Alena,
vielen Dank für Ihre Schilderung. Die von Ihnen beschriebene Entwicklung bestätigt noch einmal, was wir über Bockhufe und steile Hufe wissen und was aber leider ganz offensichtlich nicht zum Allgemeingut des Huf- und Pferdewissens gehört.
Viele Hufbearbeiter sind heutzutage der Meinung, man könne durch beständiges Kürzen der Trachten eine Korrektur "zu steiler Hufe" erreichen. Leider erkennen sie ihre Grenzen hierbei nicht.
Dieser Umstand produziert so viel unnötiges Leid für Pferde und Besitzer, dass wir uns seit Jahren intensiv um Aufklärung bemühen. Unsere letzte Huftagung war deshalb auch allein auf dieses Thema fokussiert (https://www.dhgev.de/huftagungen/13-huftagung-der-dhg/).
Frau Dr. Kothes berichtete dort als Referentin über ihre Studie zur Stelzfuß- und Bockhufbehandlung mit Oxytetracyclin beim Fohlen (Vortrag siehe https://www.dhgev.de/huftagungen/13-huftagung-der-dhg/tagungsmappe/stelzfuss-und-bockhufbehandlung-mit-oxytetracyclin-beim-fohlen-eine-retrospektive-studie-dr-jennifer-maria-kothes/).
Diese Behandlung wird heute bei Fohlen nicht selten durchgeführt. Ob ihr aber beim Vorliegen einer Hufgelenksflexion (Bockhuf) vor einer Desmotomie des Unterstützungsbandes der TBS der Vorzug zu geben ist, ist fraglich. Bei einem Stelzfuß ist die Oxytetracyclin-Behandlung dagegen ziemlich alternativlos. Beide therapeutische Eingriffe bergen ihre eigenen Risiken, aber sie sind - so die Steilstellung oder Fehlstellung bei einem Fohlen nicht akzeptiert werden kann - den erfolglosen und schadensträchtigen oft jahrelangen orthopädischen Korrekturversuchen eindeutig vorzuziehen.

Wie Sie richtig schreiben, haben sich die knöchernen Strukturen an die jeweilige Stellung angepasst. Allerdings nicht nur diese und nicht nur bei einer physiologisch steilen (ungebrochenen) Stellung. Es sind vor allem auch alle bindegewebigen Strukturen - und dies auch bei einem flexierten Hufgelenk (Bockhuf) - die sich bequem eingerichtet haben.
Wie weit das jeweils der Fall ist, kann man einerseits an der "Widerspenstigkeit" der Situation gegen die orthopädischen Korrekturversuche und andererseits am Huf selbst (dessen Entwicklung, dessen Veränderungen) ablesen.
((Sie haben nicht zufällig Bilder der Hufe des oben beschriebenen Pferdes?))

Aufgrund dieser Tatsache (die Situation ist eingerichtet), wird eine Oxytetracyclin-Behandlung nur in Ausnahmefällen beim erwachsenen Pferd vorgenommen. Ich selbst kenne nur einen Fall. Die betreffende Stute hatte aufgrund einer Schulter-Fraktur eine über die gesamte Gliedmaße bestehende Beugeanomalie entwickelt. Sie konnte diese Gliedmaße später, auch nach Heilung der Fraktur, nicht mehr belasten. Eine zweimalige Oxytetracyclin-Behandlung sollte ihr helfen, der Plan ging aber leider nicht auf.
Mit freundlichen Grüßen
Konstanze Rasch