Ich bitte um Beratung bei der Post-Rehe-Behandlung meines 10-jährigen Wallachs Mio, Rasse: Deutsches Part-Bred-Shetlandpony, Gewicht 169 Kilogramm, Stockmaß 1,06 Meter.
Ich übernahm Mio Ende Februar 2023 als "Notfall". Er stand vor dem Schicksal "Pferdemetzger", nachdem er vor einem Jahr einen schweren Reheschub an allen vier Hufen erlitten hatte. Mehr Informationen zur Vorgeschichte sind leider nicht bekannt. Situation bei Übernahme: Post-Rehe-Hufe mit steilen Trachten und sehr langen Zehen, trug dauerhaft "Krankenschuhe", lief extrem fühlig, war bewegungsunwillig.
Entwicklung seit Übernahme:
- Haltung: In einer "Diätgruppe", bestehend aus fünf Wallachen. Kontrollierter Weidegang am Tage auf einer sog. Magerweide (seit ca. 40 Jahren ohne Düngung). Dauer des Weidegangs: Je nach Umkoppeln zwischen 1-7 Stunden, zunächst mit Fressbremse, seit Ende Mai ohne Fressbremse. Außerhalb der Weidezeit: Offenstall mit Paddock, Fütterung mit Bioheu (reduzierter Fruktangehalt). Zusätzlich wird Stroh angeboten. Verzicht auf "Leckerlies".
- Tierärztliche Diagnostik und Therapie: Großes Blutbild außer einer Eosinophilie unauffällig. Keine Hinweise auf PPID, einmalige Blutzuckermessung normal. Entwurmung mit Moxidectin und Pyrantel. 5 Tabletten Traumeel täglich vom 12.04.2023 bis zum 16.06.2023. 1 Tablette ASS 500 täglich vom 25.04.2023 bis zum 16.06.2023. Aktuell: Ausschleichversuch bezüglich ASS 500. Wegen eines Beckenschiefstandes (von der TÄ als Post-Rehe-Folge eingeordnet): 2x Akupunktur, 1x Manuelle Therapie, 1x Physiotherapie.
- Barhufschmiedin: Bis heute 6 Termine. Zunächst alle zwei Wochen, aktuell im Abstand von ca. 5 Wochen.
- Monitoring: 2x täglich Palpation der Fesselarterien und Bewertung der Pulsation auf einer Skala von 0 bis 3. Seit Mitte Juni an allen vier Extremitäten 0/3.
- Mobilisierungsprogramm: Einzel- und Gruppentraining (=Kurse mit mehreren Teilnehmenden).
- Aktuelles Gangbild: Gute Vorwärtsbewegung, Einschränkungen beim Vorhand- und Hinterhand weichen sowie beim Rückwärtsrichten. Meidet spontan harten Untergrund (Schotter), lässt sich aber auf hartem Untergrund willig führen.
Die Fotodokumentation der Hufe ist aktuell. Die Bilder sind bezüglich der Seitenlokalisation direkt beschriftet.
Für Tipps bei der weiteren Rehabilitation sind dankbar
Mio und Christine Förster
Beratung bei der Post-Rehe-Behandlung eines Shetlandponys
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Beratung bei der Post-Rehe-Behandlung eines Shetlandponys
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- Nadja Politz
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Re: Beratung bei der Post-Rehe-Behandlung eines Shetlandponys
Hallo Frau Förster,
was mir an den Hufen als Erstes ins Auge springt, ist das nach wie vor stark unruhige Hornwachstum.
Im Schnitt wächst ein Huf ca. 1cm pro Monat. Sommers meist etwas mehr als winters. Wenn Mio seit Februar bei Ihnen ist und sein Gangbild sich ja bereits deutlich verbessert hat, bleibt die Frage, warum kommt das Hornwachstum nicht zur Ruhe. Das aktuell nachwachsende Horn ist nicht deutlich ruhiger als der ältere Rest, was es aber werden sollte, sobald der Auslöser für das Rehen abgestellt ist.
Zum Vergleich Bilder eines stoffwechselgesunden Pferdes:
Hier einmal der direkte Vergleich der beiden:
Hat Mio ggf. weiterhin mit seinem Stoffwechsel zu tun?
Bis zu 7 Stunden ist ja doch eine ausgedehnte Weidezeit. Nicht gedüngtes Gras heißt nicht zwangsläufig zucker-/proteinarm. Es kommt immer auf die Zusammensetzung der Gräser an. Die hochgezüchteten und dadurch sehr kräftigen Gräser für Hochleitunsgmilchkühe, vornehmlich das zuckerreiche deutsche Weidelgras, sähen sich per Wind überall hin aus und verdrängen radikal die weniger widerstandsfähigen mageren Gräser. Hier wäre eine Testung des Grases bei der LUFA ggf. hilfreich.
Da sie von Fruktan schreiben: Wichtig ist auch zu wissen, dass Studien mittlerweise nachgewiesen haben, dass Pferde kaum in der Lage sind, beim Grasen so viel Fruktan aufzunehmen, dass dies allein eine Rehe auslösen könnte. Vielmehr kommt es auf den Gesamtzucker an, sowie auf den Proteinwert. Auch im Heu!
Oder fördert ggf. auch die aktuelle Hufbearbeitung die Unruhe in den Hufen?
Wie bearbeitet die Schmiedin die Hufe denn? Sie schreiben ja, dass Mio mit steilen Trachten und langen Zehen kam. Wurden/werden die Trachten bei der Hufbearbeitung stets mehr gekürzt als der Rest des Hufes?
Da Mio kaum irgendwo einen stabilen Tragrand aufweist (wird er rundum so beraspelt?), ist er auf allen Hufen recht stark auf die Sohle gesetzt. Hier beispielhaft eingezeichnet.
Der ganze Bereich hat Bodenkontakt. Die Sohle ist nicht grundsätzlich zum Tragen gemacht. Es gibt kein Polster zwischen Sohlenlederhaut und Hufbeinknochen, sodass bei (zu) viel Druck die Lederhaut empfindlich zusammengequetscht wird. Gerade Rehepferde sind da meist noch empfindlicher.
Dass er Schotter meiden möchte ist also verständlich und er sollte hier auch nicht gezwungen werden.
Ein aktuelles Ganzkörperfoto von der Seite wäre schön, um einen Eindruck vom gesamten Pony zu bekommen.
Viele Grüße
Nadja Politz
was mir an den Hufen als Erstes ins Auge springt, ist das nach wie vor stark unruhige Hornwachstum.
Im Schnitt wächst ein Huf ca. 1cm pro Monat. Sommers meist etwas mehr als winters. Wenn Mio seit Februar bei Ihnen ist und sein Gangbild sich ja bereits deutlich verbessert hat, bleibt die Frage, warum kommt das Hornwachstum nicht zur Ruhe. Das aktuell nachwachsende Horn ist nicht deutlich ruhiger als der ältere Rest, was es aber werden sollte, sobald der Auslöser für das Rehen abgestellt ist.
Zum Vergleich Bilder eines stoffwechselgesunden Pferdes:
Hier einmal der direkte Vergleich der beiden:
Hat Mio ggf. weiterhin mit seinem Stoffwechsel zu tun?
Bis zu 7 Stunden ist ja doch eine ausgedehnte Weidezeit. Nicht gedüngtes Gras heißt nicht zwangsläufig zucker-/proteinarm. Es kommt immer auf die Zusammensetzung der Gräser an. Die hochgezüchteten und dadurch sehr kräftigen Gräser für Hochleitunsgmilchkühe, vornehmlich das zuckerreiche deutsche Weidelgras, sähen sich per Wind überall hin aus und verdrängen radikal die weniger widerstandsfähigen mageren Gräser. Hier wäre eine Testung des Grases bei der LUFA ggf. hilfreich.
Da sie von Fruktan schreiben: Wichtig ist auch zu wissen, dass Studien mittlerweise nachgewiesen haben, dass Pferde kaum in der Lage sind, beim Grasen so viel Fruktan aufzunehmen, dass dies allein eine Rehe auslösen könnte. Vielmehr kommt es auf den Gesamtzucker an, sowie auf den Proteinwert. Auch im Heu!
Oder fördert ggf. auch die aktuelle Hufbearbeitung die Unruhe in den Hufen?
Wie bearbeitet die Schmiedin die Hufe denn? Sie schreiben ja, dass Mio mit steilen Trachten und langen Zehen kam. Wurden/werden die Trachten bei der Hufbearbeitung stets mehr gekürzt als der Rest des Hufes?
Da Mio kaum irgendwo einen stabilen Tragrand aufweist (wird er rundum so beraspelt?), ist er auf allen Hufen recht stark auf die Sohle gesetzt. Hier beispielhaft eingezeichnet.
Der ganze Bereich hat Bodenkontakt. Die Sohle ist nicht grundsätzlich zum Tragen gemacht. Es gibt kein Polster zwischen Sohlenlederhaut und Hufbeinknochen, sodass bei (zu) viel Druck die Lederhaut empfindlich zusammengequetscht wird. Gerade Rehepferde sind da meist noch empfindlicher.
Dass er Schotter meiden möchte ist also verständlich und er sollte hier auch nicht gezwungen werden.
Ein aktuelles Ganzkörperfoto von der Seite wäre schön, um einen Eindruck vom gesamten Pony zu bekommen.
Viele Grüße
Nadja Politz
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Re: Beratung bei der Post-Rehe-Behandlung eines Shetlandponys
Liebe Frau Politz,
vielen Dank für die schnelle, ausführliche und sachkundige Antwort. Dadurch habe ich viele Denkanstöße bekommen. Zur Vervollständigung anbei ein aktuelles Bild vom "gesamten" Pony.
Beste Grüße von Christine Förster
vielen Dank für die schnelle, ausführliche und sachkundige Antwort. Dadurch habe ich viele Denkanstöße bekommen. Zur Vervollständigung anbei ein aktuelles Bild vom "gesamten" Pony.
Beste Grüße von Christine Förster
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- Nadja Politz
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Re: Beratung bei der Post-Rehe-Behandlung eines Shetlandponys
Hallo Frau Förster,
was mir nocheinmal wichtig ist zu betonen:
in Bezug auf die Hufbearbeitung ist es wichtig, dass nicht versucht wird aus den momentan noch Rehehufen „normale“ Hufe zu schneiden. Dies bedeutet vor allem kein einseitiges Trachtenkürzen!
Bei noch vorhandenen Schmerzen verkrampft die Beugemuskulatur und somit bilden Rehepferde fast immer höhere Trachten aus, als sie sie im gesunden Zustand hatten. Schneidet man ihnen diese runter, entspannt die Muskulatur nicht, sondern sie muss noch mehr gegenhalten. Die Folge sind noch stärkere Verkrampfungen, noch höhere Trachten und im schlimmsten Fall neue Reheschübe.
Ausführliche Erklärungen hierzu finden sie in den Artikeln und Videos im Themenbereich „Hufrehe“:
https://www.dhgev.de/hufthemen/hufrehe.
Danke für das Bild von Mio. Fotos sind natürlich nur bedingt geeignet um fundierte Aussagen zu treffen, einen echten live und 3D-Eindruck ersetzen sie natürlich nicht.
Er erscheint mir schlank und ohne die typischen Fettdepots auf Mähnenkamm, hinter der Schulter und auf der Kruppe, die auf eine EMS- oder Insulinproblematik hinweisen würden. Dennoch ist es wichtig, dass ein Pony, dass bereits so schwere Hufrehe erlebt hat, immer schlank und sportlich bleibt. Wenn er hufewärts wieder laufen mag, ist Bewegung, vor allem regelmäßiger Ausdauer“sport“, flotter Schritt, und je nach Trainingszustand dann einige Minuten Trab und Galopp am Stück für ihn hilfreich, um gesund zu bleiben.
Etwas auffällig ist jetzt mitten im Sommer bei einem 10 jährigen Pony das längere Fell an seinen Flanken und unter seinem Bauch. Es kann natürlich noch mit der allgemein schlechten Lage zusammenhängen, aus der Sie ihn bekommen haben. Aber auch irgendeine Form von Dauerstress (Herdenstress, Schmerzen?) oder zu hohe Selengaben können zu einer Fehlregulation der Nebenniere und somit zu derlei Symptomen führen. Bekommt er Mineral/Zufutter?
Die Eosinophilie hatte mich auch noch kurz nachdenken lassen. Wahrscheinlich wurde sie nur auf eine Verwurmung zurückgeführt, weswegen dann auch entwurmt wurde. Die Präparatnennung machte mich auch stutzig. Wurde erst mit Pyrantel und dann nocheinmal mit Moxidectin entwurmt? Oder beides parallel? Als Kombipräparat liegt dieses ja nicht vor (wäre auch nicht sinnvoll) Oder war es die Kombi Moxidectin+Praziquantel? Wurde danach noch einmal ein Blutbild gemacht? Eine Eosinophilie kann ja auch andere Gründe als Parasiten haben.
Viele Grüße
Nadja Politz
was mir nocheinmal wichtig ist zu betonen:
in Bezug auf die Hufbearbeitung ist es wichtig, dass nicht versucht wird aus den momentan noch Rehehufen „normale“ Hufe zu schneiden. Dies bedeutet vor allem kein einseitiges Trachtenkürzen!
Bei noch vorhandenen Schmerzen verkrampft die Beugemuskulatur und somit bilden Rehepferde fast immer höhere Trachten aus, als sie sie im gesunden Zustand hatten. Schneidet man ihnen diese runter, entspannt die Muskulatur nicht, sondern sie muss noch mehr gegenhalten. Die Folge sind noch stärkere Verkrampfungen, noch höhere Trachten und im schlimmsten Fall neue Reheschübe.
Ausführliche Erklärungen hierzu finden sie in den Artikeln und Videos im Themenbereich „Hufrehe“:
https://www.dhgev.de/hufthemen/hufrehe.
Danke für das Bild von Mio. Fotos sind natürlich nur bedingt geeignet um fundierte Aussagen zu treffen, einen echten live und 3D-Eindruck ersetzen sie natürlich nicht.
Er erscheint mir schlank und ohne die typischen Fettdepots auf Mähnenkamm, hinter der Schulter und auf der Kruppe, die auf eine EMS- oder Insulinproblematik hinweisen würden. Dennoch ist es wichtig, dass ein Pony, dass bereits so schwere Hufrehe erlebt hat, immer schlank und sportlich bleibt. Wenn er hufewärts wieder laufen mag, ist Bewegung, vor allem regelmäßiger Ausdauer“sport“, flotter Schritt, und je nach Trainingszustand dann einige Minuten Trab und Galopp am Stück für ihn hilfreich, um gesund zu bleiben.
Etwas auffällig ist jetzt mitten im Sommer bei einem 10 jährigen Pony das längere Fell an seinen Flanken und unter seinem Bauch. Es kann natürlich noch mit der allgemein schlechten Lage zusammenhängen, aus der Sie ihn bekommen haben. Aber auch irgendeine Form von Dauerstress (Herdenstress, Schmerzen?) oder zu hohe Selengaben können zu einer Fehlregulation der Nebenniere und somit zu derlei Symptomen führen. Bekommt er Mineral/Zufutter?
Die Eosinophilie hatte mich auch noch kurz nachdenken lassen. Wahrscheinlich wurde sie nur auf eine Verwurmung zurückgeführt, weswegen dann auch entwurmt wurde. Die Präparatnennung machte mich auch stutzig. Wurde erst mit Pyrantel und dann nocheinmal mit Moxidectin entwurmt? Oder beides parallel? Als Kombipräparat liegt dieses ja nicht vor (wäre auch nicht sinnvoll) Oder war es die Kombi Moxidectin+Praziquantel? Wurde danach noch einmal ein Blutbild gemacht? Eine Eosinophilie kann ja auch andere Gründe als Parasiten haben.
Viele Grüße
Nadja Politz