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Hufrisse - Äußerliche Pflege ja oder nein?

Verfasst: 01.05.2024, 19:05
von Han-Schu
Hallo und Grüße,

mein Englisches Vollblut (Wallach, 5 Jahre) weist seit dem Winter am rechten Vorderhuf frontal einen dünnen (weniger als 1 mm) aber ca. 2 cm langen Riss auf, der nicht raus wächst. Dazu kommt, dass sich seit einiger Zeit so kleine "Löcher" in der Hufwand bei beiden Vorderhufen bilden. Zudem hat er eine sehr dünne weiße Linie, die schlecht ausgebildet ist, läuft sich stets die Zehen vorne ab und hat im Allgemeinen wirklich zarte Hufe im Vergleich zu seinem Körper - typisch Vollblut? Er neigt auch zu Hufgeschwüren, das er das letzte Mal vorne links im Oktober 2023 hatte. Seine Mutter, die ebenfalls auf dem Hof steht, weist dieselben Probleme mit den Hufen auf, ist aber seit Winter vorne beschlagen.

Auf Anraten meiner Ostheopathin des Vertrauens habe ich von Atcom "Huf-Vital" gekauft und gebe ihm eine Kieselgur-Kur für 4 Wochen, um das Horn zu stärken. Mit der Arbeit vom Hufschmied bin ich nicht zufrieden und weil ich da nicht alleine bin, wird aktuell für den ganzen Stall ein anderer Dienstleister gesucht.

Gestern kam die Diskussion wieder auf und auch in den zahlreichen Internetseiten konnte ich keine einheitliche Meinung finden (vielfach wollte hier auch nur das eigene Produkt vermarktet werden), deshalb lautet meine Frage nun: Hilft das Auftragen von Huföl tatsächlich für meinen Fall oder wirkt sich- wie oft beschrieben - das Abspritzen und anschließendes Einfetten mit Öl eher negativ auf den Huf aus? Und wenn es hilft, in welchem Turnus macht es tatsächlich Sinn?
Die Vorbesitzer haben seine Hufe immer abgespritzt, mit einer Bürste gereinigt, trocken gemacht und danach das Huföl von Kevin Bacon's "Liquid Hoof Dressing" auf den Kronenrand aufgetragen. Anschließend haben sie es einwirken lassen und das war's...

Fotos vom aktuellen Huf kann ich gerne nachreichen.

Ich würde mich sehr über eine hilfreiche Antwort, damit ich meinem Pferdchen helfen kann gesunde Huf zu bekommen.

Re: Hufrisse - Äußerliche Pflege ja oder nein?

Verfasst: 01.05.2024, 20:31
von Sonja Gschaider
Hallo liebe/r Han-Schu!
Huffotos sind für eine Einschätzung Ihrer Lage zwingend notwendig.
Haben Sie oder ihr Hufbearbeiter schon mal über die Hufwand geraspelt um zu sehen ob der Riss tiefer geht? Bei Rissen ist es immer wichtig alle Hebelkräfte in einem kurzen Bearbeitungsintervall auszuschalten.
Erfahrungstechnisch haben Vollblüter eher zarte Hufe/Hufwände. Dies ist aber von Fall zu Fall unterschiedlich, habe allerdings auch Pferde in Betreuung die trotz ihrer Vollblut Abstammung sehr stabile Hufe haben.
Zum Thema Neigung zu Hufgeschwüren. Arbeite aktuell mit einer Naturheilpraktikerin zusammen die ein Pferd mit wiederkehrenden Geschwüren gut therapiert hat. Das wäre vl auch ein Ansatz für Sie.
Ein Mineralfutter ist immer gut, allerdings würde ich zu einer Konsultation mit einer/m Expert/in raten und eventuell eine Haaranalyse durchführen.
Der Einsatz von Huföl bringt meiner bzw unserer Meinung nach nichts. Außer aufgetragen am Kronrand und Saumband als Pflege, aber Achtung keine Lorbeersalben oder dergleichen diese reizen zu stark.
Es würde etwas bringen wenn Sie das Pferd 2 Stunden in den Wassereimer stellen und die Hufe danach einfetten.
Den Riss müssen Sie sogar mit geeigneten Mitteln pflegen um die Bakterien die sich sicher schon eingenistet haben zu bekämpfen. Hier eignen sich ätherische Öle die desinfizierend wirken wie zb Oreganoöl oder vergleichbares. Auch muss der Hufbearbeiter einen richtigen Zugang schaffen um die Pflege zu erleichtern, dies müsste man sich natürlich vor Ort ansehen.
In unserem DHG Register finden Sie vl Kollegen in Ihrer Nähe.
https://www.dhgev.de/huforthopaeden
Ich hoffe ich konnte Ihnen etwas weiterhelfen, würde gerne noch Huffotos sehen um weitere Infos zu geben.
Liebe Grüße
Gschaider Sonja

Re: Hufrisse - Äußerliche Pflege ja oder nein?

Verfasst: 01.05.2024, 20:40
von Britta Diedrich
Hallo Han-Schu,

Schön, dass Sie den vielfältigen Angeboten im Internet nicht nachgehen und sich stattdessen an uns wenden.
Ich glaube, dass Sie die Antwort auf Ihre Frage bereits kennen. 😉 Hören Sie auf Ihre Intuition.

Ohne die Hufe gesehen zu haben, kann ich natürlich keine endgültige Aussage treffen. Es ist jedoch gewiss, dass jegliche Zusatzfuttermittel kaum einen nennenswerten Einfluss auf die Hornqualität haben. Diese wird maßgeblich von der Genetik und dem Stoffwechsel des Pferdes beeinflusst.
Wenn Sie die Hufe einölen, verhindern Sie, dass das Horn Feuchtigkeit aufnehmen, halten oder bei zu viel Feuchtigkeit auch wieder abgeben kann. I.d.R trocknen Hufe durch das einölen nur aus und werden spröde.

Ich nehme an, dass Sie mit der „weißen Linie“ den Bereich zwischen Wand- und Sohlenhorn meinen.
Die Dicke der „weißen Linie“ ist individuell unterschiedlich und anatomisch vorgegeben. Es sei denn es liegt eine Erkrankung des Hufbeinträgers vor. Daher ist bei vergleichsweise zierlichen Hufen eine dünne Linie passend.

Fotos von den Hufen wären für eine abschließende Betrachtung nötig.
Eine Anleitung finden Sie hier https://www.dhgev.de/huffoto-anleitung. Ein Tipp: richten sie das Handy parallel zum Fesselbein aus und fokussieren Sie dann auf den Kronrand. Bei der Aufnahme von der Sohle halten Sie das Handy parallel zum Strahl. Versuchen Sie nicht, sich an der Hornkapsel zu orientieren. Dabei werden die Aufnahmen meist von zu schräg vorne oder zu seitlich aufgenommen.
Bitte stellen Sie auch ein Bild des ganzen Pferdes von der Seite zur Verfügung.

Außerdem schauen Sie sich hier https://www.dhgev.de/hufthemen/hornspal ... ornspalten das Video zur Entstehung von Spalten in der Zehenmitte an. Zunächst wird man nur einen Riss erkennen, der im Extremfall zum Spalt werden kann.
Eine huforthopädische Bearbeitung der Hufe kann hier Abhilfe leisten.
Ich vermute, dass auch die Hufgeschwüre über eine huforthopädische Behandlung in den Griff zu bekommen sind.

Bitte schildern Sie weiterhin, wie das Pferd gehalten wird (Box, Offenstall, etc.), wie und wie oft und auf welchen Untergründen wird das Pferd bewegt, und auf welchen Untergründen läuft es in seiner Freizeit? Gibt es evtl eine Krankheitsgeschichte? Wann war die letzte Hufbearbeitung durch den Schmied?

Beste Grüße,
Britta

Re: Hufrisse - Äußerliche Pflege ja oder nein?

Verfasst: 02.05.2024, 21:13
von Han-Schu
Hallo Britta,
Hallo Sonja,

vielen Dank erstnal für eure wirklich tollen Antworten. Das hat mir jetzt schon unglaublich geholfen und ja manchmal sieht man den Wald voller Bäume nicht - da kann die Intuition etwas durcheinander kommen und verunsichert sein :D

Über eine Haaranalyse bzw. Blutbild habe ich auch schon nachgedacht, um eventuelle Defizite festzustellen, da das Heu immer wieder Qualitätsschwankungen aufweist und Vollblüter bekanntermaßen einen höheren Bedarf haben.
Habe die Fotos heute frisch gemacht,damit ist das der aktuellste Stand. Leider habe ich die Richtlinien zu den Huf-Fotos zu spät gelesen, wenn also die Fotos nicht aussagekräftig sind, kann ich gerne neue machen. *Verzeihung für den schlechten Zustand der Hufe - ich war mitten im Auskratzen*

Liebe Britta zu Ihren Fragen:
Der Bub steht von 8 bis nun 18 Uhr draußen - entweder ganztägig auf einem großen Sandpaddock oder auf der Weide. Nur über Nacht steht er in der Box, die mit Stroh eingestreut ist (zu meinem Leidwesen..). Er spielt unglaublich gerne mit seinen Kumpels, bewegt sich daher viel und der Weg zur Weide ist länger, da muss er auf Asphalt und Sand mit Steinen laufen (wo er schon recht fühlig drauf läuft, so "auf den Zehenspitzen"). Geritten wird er auf dem Reitplatz und wir gehen auch raus, aber da wir in Brandenburg wohnen ist es vielfach sandiger Boden. Der Schmied kommt alle 6 Wochen und morgen (03.05.2024) kommt er wieder in den Stall. So ungefähr in der Halbzeit hat der Vorbesitzer immer in Eigenregie die Hufe gerundet.

Re: Hufrisse - Äußerliche Pflege ja oder nein?

Verfasst: 02.05.2024, 22:25
von Britta Diedrich
Hallo Han-Schu,

Vielen Dank für die Bilder.

Haben Sie sich das Video zur Entstehung von Hornspalten angesehen? Erkennen Sie Parallelen zu den Hufen Ihres Pferdes?
Ihr Pferd zeigt vorne rechts eine Abfußungsrichtung in der Zehenmitte und dort ist der Riss, den Sie eingangs beschrieben haben, zu erkennen.
Am linken Vorderhuf ist die Abfußungsrichtung etwas mehr seitlich, außen.
Es sind auch noch weiter Phänomene an den Hufen zu erkennen, dessen Erläuterung und Erklärung hier zu weit führen würden, auf Grund derer ich mir jedoch sicher bin, dass der Hufzustand per se die Ursache für die Rissbildungen ist.
Ein Huforthopäde der DHG kann mit diesen Phänomenen etwas anfangen und die Hufbearbeitung entsprechend danach ausrichten.
Will heißen, dass Sie mit einer huforthopädischen Bearbeitung sehr wahrscheinlich diesen Zustand deutlich verbessern können. Und, wie bereits vorher vermutet, auch die Häufigkeit Hufgeschwüre kann sehr wahrscheinlich deutlich reduziert werden.
Warum sind Sie mit der Stroheinstreu nicht glücklich? Wird täglich Kot und Urin entfernt oder steht das Pferd auf einer Matratze? Letzteres kann zusammen mit dem ungünstigen Hufzustand die Entstehung von Hufgeschwüren begünstigen. Sorgen Sie für hygienische Verhältnisse in der Box.

Die Vorraussetzungen für eine erfolgreiche huforthopädische Behandlung sind gut, da Ihr Pferd viel Bewegung haben darf und unsere Arbeitsweise somit unterstützt wird.
Meiner Ansicht nach brauchen Sie weder Zusatzfuttermittel, noch Öl noch Wässern. Auch eine weitergehende Untersuchung können Sie sich zum vermeintlichen Erkenntnisgewinn zu den Hufen und der Hornqualität sparen.

Ein Rundraspeln der Hufe resultiert lediglich in einer symmetrischen Optik, die zumeist als schön = gut empfunden wird. Leider ist diese Optik in den meisten Fällen nicht funktionstüchtig.
Vielleicht kann Ihr Pferd mit huforthopädisch bearbeiteten Hufen auch wieder etwas weniger fühlig laufen. Es kann aber auch sein, dass durch die Rasse-bedingte dünnwandige Hornkapsel eine erhöhte Empfindlichkeit bestehen bleibt. Eventuell erfahren die Hufe auch zu viel Abrieb auf den von Ihnen beschriebenen Böden. Das könnte eine Kollegin/ein Kollege vor Ort aber besser beurteilen.

Haben Sie in der Liste unserer Kollegen, die Sonja verlinkt hat, vielleicht einen Huforthopäden in Ihrer Nähe gefunden?