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Lange Zehe - Bitte beurteilen

Verfasst: 15.02.2025, 08:57
von Valery
Hallo,

Ich habe eine 28-jährige Stute (noch reitbar), die seit einigen Jahren, nach einer Hufrehe, lange Zehen hat. Mich wundert es, dass sich die lange Zehe/ flache Hufe nicht bessern, sodass ich hier einmal um Meinungen bitten möchte, was die Bearbeitung angeht.

Nach Anraten meines Hufpflegers habe ich zwischen den Bearbeitungen selbst die Zehe von vorne etwas abgeraspelt und ganz leicht die Trachten gefeilt, damit sie sich nicht einrollen. Das ist der Vorher-Zustand der Hufe, die Abbildung daneben ist direkt nach der Bearbeitung durch den Hufpfleger entstanden.

Ich frage mich:
- Zehe kürzen von vorne und Trachten anfeilen, kann das allein die Hufe wieder in einer normalen/steileren Winkel bringen?
- Der Strahl hat keinen Bodenkontakt. Ist das in Ordnung?
- Die Eckstreben gleicht der Hufbearbeiter immer auf Sohlenniveau an. Ist das gut so? Ich hatte gelesen, dass es die Eckstreben braucht, um eine dicke, gewölbte Sohle zu entwickeln.
- Die Trachten VR sind nach Bearbeitung ungleich lang, das Pferd steht schief auf dem Huf (nach innen gekippt). Ich kann mir das nicht erklären. Gibt es Anhaltspunkte, weswegen dies so sein sollte, die ich nicht sehe?

Ich danke vielmals!

Re: Lange Zehe - Bitte beurteilen

Verfasst: 15.02.2025, 23:42
von Nadja Politz
Hallo Valery,

für die Beantwortung deiner ersten Frage muss ich etwas ausholen…

„Zehe kürzen von vorne und Trachten anfeilen, kann das allein die Hufe wieder in einer normalen/steileren Winkel bringen?“

Hast Du Fotos aus der Zeit vor der Hufrehe zum Vergleich? Manchmal täuscht die Erinnerung einen nämlich ganzschön und man möchte etwas erreichen, dass auch vorher gar nicht da war.
Was mir direkt auffällt, ist dass die Hornwand von außen deutliche Ringe zeigt. Hier ein Vergleich zu einem Huf mit glatten Wänden:
Stoffwechselringe bei deiner Stute und Huf mit glatter Hornwand im Vergleich
Stoffwechselringe bei deiner Stute und Huf mit glatter Hornwand im Vergleich
Diese auch Stoffwechselringe genannten Unregelmäßigkeiten in der Hornproduktion deuten darauf hin, dass etwas im Stoffwechsel deiner Stute noch immer nicht ganz glatt läuft.
Auch die Blättchenschicht, umgangssprachlich wird sie häufig „weiße Linie“ genannt, sieht nicht komplett unauffällig aus. Auch hier ein Vergleich zu einem gesunden Huf:
Links der Huf deiner Stute, rechts ein Huf mit gesunder Blättchenschicht im Vergleich
Links der Huf deiner Stute, rechts ein Huf mit gesunder Blättchenschicht im Vergleich
Da die Blättchenschicht nicht so sauber ausgeschnitten wurde, ist sie nur von den Fotos her allerdings nicht wirklich gut zu beurteilen. Aber auch eine fitzelige, aufgezogene, fäulnisbesetzte Blättchenschicht kann auf ein Stoffwechselthema hindeuten.

Sollte deine Stute noch immer Probleme mit ihrem Stoffwechsel haben, könnte dies zu einer schrägeren Zehenwand führen, als diese im gesunden Zustand ausgerichtet wäre. Warum?

--> Bei einem gesunden Huf verlaufen Hufbeinrücken und Zehenwand parallel zueinander. Der Hufbeinträger bildet eine superstabile und nahezu untrennbare Verbindung der beiden Strukturen.
Bei einer Hufrehe verliert der Hufbeinträger in mehr oder weniger großem Umfang die Fähigkeit das Pferdegewicht fest in der Hornkapsel aufzuhängen. Dadurch verlieren Zehenwand und Hufbeinrücken ihre Parallelität. Meist, weil die Zehenwand durch den Bodengegendruck vom Hufbein weggedrückt wird. Hier eine Grafik, die dies veranschaulicht:
Grafik: die Zehenwand wurde vom Hufbein weggehebelt. Mod. aus "Hufrehe und Möglichkeiten der Sanierung" von Dr. Konstanze Rasch (auf dieser Homepage im Bereich Hufthemen: Hufrehe)
Grafik: die Zehenwand wurde vom Hufbein weggehebelt. Mod. aus "Hufrehe und Möglichkeiten der Sanierung" von Dr. Konstanze Rasch (auf dieser Homepage im Bereich Hufthemen: Hufrehe)
Der Körper repariert diesen Zusammenhangsverlust umgehend durch eine deutlich beschleunigte, dafür qualitativ mindere Blättchenhornproduktion. Das sogenannte Narbenhorn stabilisiert die verlorengegangene Verbindung. Von solear wird dieses Narbenhorn als eine verbreiterte und häufig farblich veränderte Blättchenschicht sichtbar.
Verbreiterte Blättchenschicht bei Hufrehe
Verbreiterte Blättchenschicht bei Hufrehe
Je breiter diese ist, umso stärker ist die Hornwand vom Hufbeinrücken weggewichen.

Glücklicherweise ist dies alles reparabel. Sind die Auslöser für die Hufrehe abgestellt, repariert sich der Huf quasi von selber, in dem ein komplett neuer, gesunder Huf im Laufe etwa eines Jahres herabwächst. Dieses Bild veranschaulicht, wie gut diese Reparaturleistungen, also das Nachwachsen von oben funktionieren:
Reheschäden wachsen raus
Reheschäden wachsen raus
Hier nocheinmal als Grafik im Hufquerschnitt:
Der Huf wächst gesund nach, Schäden wachsen heraus. Aus "Hufrehe und Möglichkeiten der Sanierung" von Dr. Konstanze Rasch (auf dieser Homepage im Bereich Hufthemen: Hufrehe)
Der Huf wächst gesund nach, Schäden wachsen heraus. Aus "Hufrehe und Möglichkeiten der Sanierung" von Dr. Konstanze Rasch (auf dieser Homepage im Bereich Hufthemen: Hufrehe)
Sind die Auslöser der Rehe jedoch nicht vollständig abgestellt, dann wird die Verbindung zwischen Huf und Hufbein auch nicht wieder 100% fest produziert. Die Zehenwand wächst dann auch nicht vollständig parallel zum Hufbein herab, sondern wird vom Bodengegendruck immer wieder ein wenig vom Hufbein weggehebelt. Die Zehe bleibt also „etwas schräger“, als im gesunden Zustand.

Da hilft dann aber kein Hufbearbeitungstrick. Kein Raspeln an der Zehe und Raspeln an den Trachten erst recht nicht. Die Lösung liegt im Abstellen der Auslöser des unterschwelligen Weiterrehens.

Was waren denn die Auslöser der Hufrehe „damals“. Und bist du sicher, dass diese vollständig abgestellt sind? Was bekommt die Stute aktuell zu fressen?

Um festzustellen, ob die Hornwand wieder eng verbunden mit dem Hufbeinrücken nachwächst, könntet ihr auch mal ein Röntgenbild von der Seite machen lassen. Dafür darf aber nicht gerade an der Zehenwand geraspelt worden sein, da dies natürlich das Bild verfälscht.

Zu Deinen weiteren Fragen:

„Der Strahl hat keinen Bodenkontakt. Ist das in Ordnung?“

Ja. Ein kräftiger mittragender Strahl ist ein idealtypischer Zustand, der zwar Vorteile hat und wünschenswert ist, aber bei weitem nicht von jedem Huf erreicht werden kann. Auf keinen Fall sollte der Bodenkontakt zum Beispiel durch Trachtenkürzen erzwungen werden!

„Die Eckstreben gleicht der Hufbearbeiter immer auf Sohlenniveau an. Ist das gut so? Ich hatte gelesen, dass es die Eckstreben braucht, um eine dicke, gewölbte Sohle zu entwickeln.“


Die Bearbeitung der Eckstreben muss sich immer nach der Gesamtsituation des Hufes und der individuellen Gestalt der Eckstreben selbst richten. Die Eckstreben sind definitiv wichtig für die Gesamtstatik und sollten in ihrer Fähigkeit den hinteren Hufbereich zu „verstreben“, also zu stabilisieren durch durchdachte Hufbearbeitung unterstützt werden. Die Eckstreben hier in etwa auf Sohlenniveau zu kürzen ist auf jeden Fall sinnvoll. Ihre schräge Ausrichtung führt dazu, dass sie sich ansonsten auf die Sohlenwinkel umlegen, wenn sie zu lang werden. Das sieht man ja auf den Fotos vor der Bearbeitung. Die Eckstreben sind nicht für die Wölbung der Sohle verantwortlich. Diese hängt vor allem mit der Ausrichtung der Gliedmaße zusammen. Je steiler ein Huf, desto größer seine Sohlenwölbung. Die Sohlendicke ist vor allem genetisch vorgegeben.

„Die Trachten VR sind nach Bearbeitung ungleich lang, das Pferd steht schief auf dem Huf (nach innen gekippt). Ich kann mir das nicht erklären. Gibt es Anhaltspunkte, weswegen dies so sein sollte, die ich nicht sehe?“

Meinst Du diesen Huf:
Trachtenendkanten unterschiedlich steil ausgerichtet.
Trachtenendkanten unterschiedlich steil ausgerichtet.
Die Trachtenendkanten dieses Hufes sind vor und nach der Bearbeitung innen steiler (gelb) und außen schräger (rot) ausgerichtet. Also nicht nur „nach“ der Bearbeitung ungleich lang (und schräg), sondern auch schon davor.

Hufe stehen vor allem so zu Boden, wie das Pferd seine Gliedmaßen zum Boden ausrichtet. Dies wiederum wird durch unzählige Faktoren beeinflusst. Hier eine Grafik, die dies noch einmal schön deutlich macht:
Die Aufstellung der Gliedmaße beeinflusst die Symmetrie des Hufes. Aus "Potential und Grenzen des Barhufs" S. 9. Von Dr. Konstanze Rasch (auf dieser Homepage im Bereich Hufthemen: Potential des Barhufs)
Die Aufstellung der Gliedmaße beeinflusst die Symmetrie des Hufes. Aus "Potential und Grenzen des Barhufs" S. 9. Von Dr. Konstanze Rasch (auf dieser Homepage im Bereich Hufthemen: Potential des Barhufs)
Wenn dein Pferd also sein Bein so aufstellt, dass es innen steiler steht und außen schräger, dann liegen die Gründe dafür oberhalb der Hufe im Pferdekörper begründet. Der Huf passt zu der Schiefe der Gliedmaße. Das muss respektiert und entsprechend gepflegt und nicht geradegeraspelt werden, da dem Pferd ein geradegeraspelter Huf an einem schiefen Bein nicht dienlich wäre.

Insgesamt könnte man noch einige Dinge an der Hufbearbeitung zielführender gestalten. Dies will ich hier aber erstmal nicht weiter ausführen und warte erstmal auf deine Antworten und eventuell weiteren Fragen.

Viele Grüße
Nadja Politz

Re: Lange Zehe - Bitte beurteilen

Verfasst: 16.02.2025, 07:31
von Valery
Hallo,

Vielen Dank für die ausführliche Antwort! Die Hufrehe bekam sie, nachdem sie 24/7 auf einer "Kuhweide" stand, also keine magere Weide, sondern eine mit Hochleistungsgräsern. Sicher war auch ein EMS-Geschehen mit daran beteiligt, mit den üblichen Fettpolstern an Hals, Schulter und teils Kruppe. Das war vor etwa fünf Jahren.

Dann konnte ich glücklicherweise den Stall wechseln. Mit dem dortigen Management bekam sie mehrmals am Tag kleinere Heuportionen, sodass sie nicht hungern musste, aber sehr gut abnahm, vor allem in den letzten zwei Jahren. Ansonsten bekam sie nur ab und an Senior-Mineralfuttert und lebte in einem weitläufigen Sandauslauf.

Die Gewichtsabnahme reichte für mein Empfinden aber nun deutlich aus, jetzt im Winter waren ihre Rippen deutlich zu spüren. Sie hatte dabei aber immer noch etwas "Bauch" (fehlende Muskulatur?).
Nun bekommt sie 3 x Tag ausreichend Heu, steht über Nacht in einer Strohbox.
Um den Stoffwechsel zu unterstützen, bekommt sie nun täglich Mineralfutter für Stoffwechsel-erkrankte Pferde und ich versuche seit kurzem eine Kur für die Leber zu machen - was das bringt, weiß ich noch nicht.
Ich hatte probeweise kürzlich Artischocke und Maulbeerblätter gefüttert und hatte den Eindruck, dass ihr Bauch dadurch weniger wurde (Entwässerung?).

Was kann ich noch tun? Ich möchte sie gut versorgen, aber ihren Stoffwechsel nicht be-, sondern entlasten.

Ich hänge noch ein Bild an von ihren Hufen. Das ist schon sehr lange her, aber somit auch definitiv vor der Rehe. Es ist nicht explizit eine Aufnahme der Hufe und schon älter, daher entschuldige ich mich für die schlechte Qualität.

Re: Lange Zehe - Bitte beurteilen

Verfasst: 16.02.2025, 22:19
von Nadja Politz
Halo Valery,

wie läuft dein Pferd denn? Ist sie in den Jahren nach der Hufrehe immer problemlos unterwegs gewesen oder manchmal zäh, fühlig, „faul“?
Hat sie immer noch (leichte) EMS-Polster? Hat sie einen dicken, festen Mähnenkamm oder hat sie unterlaufene Augen?
unterlaufene Augen.jpg
unterlaufene Augen.jpg
Dies können auch bei schlanken Pferden Hinweise darauf sein, dass ihr Insulinstoffwechsel gestört ist und sie trotz erfolgreichem Abnehmen, noch immer rehegefährdet sind.
Der Bauch der Pferde ist bei der Gewichtsbeurteilung größtenteils vernachlässigbar. Wichtiger ist die Einschätzung der typischen Stellen für Fettpolster. Mit 28 Jahren lassen natürlich auch Muskulatur und Bindegewebe nach. Vielleicht fällt der Bauch daher etwas mehr auf als früher. Vielleicht hat es aber auch ganz andere Gründe. Das ist hier reine Spekulation.

Das alte Foto lässt vermuten, dass die Hufe damals etwas steiler zum Boden ausgerichtet waren. Aber da es aus einer völlig anderen Perspektive als die heutigen Fotos aufgenommen ist, kann das auch schnell täuschen.
Wie gesagt würde ein Röntenbild von der Seite dir hier Aufschluss geben. Du könntest es auch gern hier einstellen, um dann unsere Meinung zu dem Bild zu erfahren.

Dass sie keine Müslis o.ä. bekommt ist schonmal sehr gut. Mineralfutter und auch andere Produkte die mit Bezeichnungen wie „für stoffwechselerkrankte Pferd“, „für Rehepferde geeignet“ u.ä. beworben werden, halten leider selten, was sie versprechen. Ob solch ein Zufutter für das eigene Pferd wirklich geeignet ist, ist nicht so ohne weiteres zu sagen. Grundsätzlich gilt für Pferde: „weniger“ ist meist „mehr“. Sie sind als Steppentiere evolutionär bestens auf den Umgang mit Mangelsituationen angepasst. Sie füllen ihre Speicher für Vitamine, Mineralstoffe etc., wenn sie bestimmte Nahrungsmitteln finden. Danach werden die Speicher nach und nach wieder geleert, wenn dieses Futter erstmal nicht mehr zur Verfügung steht. Krank werden unsere Pferde heute immer öfter, weil alle Speicher immer und ständig auf- bzw. überfüllt werden und sie somit ständig von allem zu viel haben. Der Stoffwechsel des Pferdes muss dann ständig Dinge entsorgen, die er nicht braucht. Und bei all der überflüssigen Arbeit kommt er oft gar nicht mehr zu seinen eigentlichen Aufgaben. Ein ständiges „zu Viel“ belastet den Stoffwechsel also allermeist viel mehr, als auch mal ein „zu Wenig“.

Mineralfutter würde ich daher lieber immer nur kurweise geben. Damit die Speicher des Pferdes auch Zeit haben, sich mal zu leeren. Ständige Überfüllung ist nicht gesund. Auch wenn die „Werbung“ uns suggeriert, dass unsere Pferde mit gaaaanz viel Zusätzen versorgt werden müssten. Aber das ist halt Werbung der Futtermittelindustrie.

Ob irgendwelche „Entgiftungskuren“ o.ä. für mein Pferd gerade in diesem Moment passend sind, würde ich persönlich lieber mit einem Stoffwechselexperten/Tierheilpraktiker meines Vertrauens abklären, als irgendwelchen Anpreisungen von Futtermittelherstellern zu glauben.

Gutes Heu in ausreichender Menge ist die beste Grundlage für ein gesundes Pferdeleben.
Tatsächlich muss man sich, wenn man ein stoffwechselempfindliches Pferd hat, aber mittlerweile auch hier fragen: "verträgt mein Pferd sein Heu?"
Die durchschnittlichen Gesamtzuckerwerte in Heu sind über die letzten Jahre immer weiter gestiegen. Immer häufiger haben wir es mit Hufrehefällen zu tun, die durch zu zuckerreiches Heu ausgelöst wurden oder zumindest dadurch am Laufen gehalten werden.
Der Gesamtzuckerwert des Heus ist daher etwas, dass ich an deiner Stelle futtertechnisch als erstes anschauen würde.
Leider bringt es hier nichts, die Heumenge zu reduzieren. Das Problem ist der zu hohe Zuckergehalt, der im Pferdekörper zu einem zu hohen Blutzucker und Insulinspiegel führt, wenn das Pferd eine Stoffwechselstörung in Form einer Insulindysregulation hat. Die Insulindysregulation ist bei uns mittlerweile der häufigste Auslöser für Hufrehe. In den Griff bekommen kann man sie mit niedrigzuckriger Fütterung und möglichst viel Bewegung, da diese den Insulinstoffwechsel günstig beeinflusst.

Folgende Dinge könntest Du also tun:
  • Du lässt von den Vorderhufen je ein Röntgenbild von der Seite anfertigen. Am besten mit röntgendichten Markierungen an der Zehenwand und an der Strahlspitze.
  • Du lässt heunüchtern (nicht hungern lassen!!) ein Blutbild erstellen. Wichtig sind die Bestimmung des Insulin- und Glucosewertes. Am besten man bestellt ein sog. EMS-Profil. Dies gibt einen ersten Aufschluss darüber, wie es um den Insulinstoffwechsel bestellt ist.
Dann schaut man weiter.

Und bitte nicht mehr weiter an den Trachten raspeln!

Wenn Du Dich schonmal weiter mit der Thematik befassen möchtest, empfehle ich Dir diesen Text von Dr. Konstanze Rasch zu lesen: Endokrinopathische Hufrehe im huforthopädischen Alltag - Praktischer Erfahrungsschatz und offene Fragen https://www.dhgev.de/hufthemen/hufrehe/ ... dard-titel

Viele Grüße

Re: Lange Zehe - Bitte beurteilen

Verfasst: 17.02.2025, 07:36
von Valery
Hallo,

vielen Dank.

Ein EMS-Profil zu machen, scheint mir interessant. Röntgenbilder hatte ich auch schon in Erwägung gezogen. Ich kann auch versichern, dass sie früher tatsächlich steiler stand.

Sehr gerne würde ich einen Stoffwechselexperten dazu ziehen, weiß aber (noch) nicht, an wen ich mich hier mit guten Gewissen wenden kann?
Ich halte generell aber auch viel von dem Prinzip "weniger ist mehr".

Die typischen EMS-Polster sind inzwischen weg. Der Mähnenkamm fühlt sich aktuell ca. 2 cm am Rand weich an. Das war vor der Gewichtsabnahme definitiv mal anders (hartes Fettpolster, dass ich mit der Hand noch nicht einmal umschließen konnte). Aber die unterlaufenen Augen habe ich in den 25 Jahren, die sich sie habe, vielleicht 2 oder 3 Mal bei ihr gesehen. Aktuell hat sie das nicht.

Mir fällt aber auf, dass sie generell sehr ruhig ist, fast schon müde. Nach einer kleinen Einheit (20 min) etwa an der Longe fallen ihr im Grunde schon die Augen zu. Auf der anderen Seite ist sie natürlich auch nicht mehr so jung.

Sie läuft vor allem nach der Hufbearbeitung - jetzt aktuell auch - sehr verhalten und vorsichtig, schon auf glattem, harten Boden, wie etwa der Stallgasse. Im Sand ist es im Schritt besser, im Trab läuft sie anfangs vorne mit kurzen Tritten, das wird nach einer Weil besser. Ich hoffe, das gibt sich wieder.

Vor dieser, aktuellen Bearbeitung (mit den Hufen der Vorher-Fotos) lief sie sehr gut, beinahe fröhlich und zügig. Das hat mich sehr gefreut, da sie ansonsten schon eher langsam/faul unterwegs ist. Die letzte Bearbeitung vor diesen Vorher-Fotos war auch 9, statt 6 Wochen, her, aufgrund der Urlaubs des Hufpflegers (und daher meine Raspelei an der Zehe).

Gibt es noch etwas, was ich neben dem Stoffwechsel-Geschehen, an den Hufen optimieren kann?

Re: Lange Zehe - Bitte beurteilen

Verfasst: 18.02.2025, 23:33
von Nadja Politz
Hallo Valery,

dass die EMS-Polster verschwunden sind und auch der Mähnenkamm sich mittlerweile weicher anfühlt, sind gute Entwicklungen! Die EMS-Polster sind selbst aktive Hormondrüsen, die den Stoffwechsel ungünstig beeinflussen. Sie zum Schmelzen zu bringen ist häufig schwierig und gelingt oft nicht vollständig. Je mehr davon verschwindet, desto besser. Bei manchen Pferden unterliegen die Polster, - meist am besten am Mähnenkamm festzustellen - fühlbaren Schwankungen. Mal ist der Kamm prall und hart, manchmal sogar warm. Dann wieder wabbelig, weich, nachgiebig. Diese Unterschiede zu bemerken und sie als individuelle Warnzeichen zu deuten und zu nutzen, ist oft hilfreich. Je schlanker und lockerer der Kamm, desto besser. Gleiches gilt für die unterlaufenen Augen.

Dass die Hufe nach der Hufbearbeitung unangenehmer sind als davor ist nicht schön. Man sollte als Hufbearbeiter immer bemüht sein, es dem Pferd im besten Fall sogar bequemer als vorher zu machen. Auf keinen Fall unbequemer. In manchen Situationen ist das „unbequemer Werden“ aber leider auch nicht immer vollständig zu vermeiden. Je nachdem, welche Themen und Baustellen Pferd und Hufe mitbringen. Auf jeden Fall solltest du deine Beobachtungen deinem Hufbearbeiter mitteilen! Nur wenn man um etwas weiß, kann man sich um Besserung bemühen.

Dass sie vor der Bearbeitung und nach dem verlängerten Intervall so viel zufriedener und flott unterwegs war und nach der Bearbeitung jetzt wieder verhaltener, aber auf weichem Boden besser läuft als auf hartem, deutet daraufhin, dass ihr etwas fehlt, was vorher da war…

Überlegung 1:
Kürzt der Hufbearbeiter bei den Bearbeitungen immer aktiv in den Trachten?
Es war ja auch dein Auftrag, das zwischendurch etwas zu tun. Das sollte auf keinen Fall gemacht werden! Das einseitig vermehrte Kürzen in den Trachten führt zu einem erhöhten Zug auf die Beugesehnen. Dies führt zu einem reflektorischen Anspannen der Beugemuskulatur. Ständige Muskelanspannung ist für sich schon unangenehm und anstrengend und durch die Daueranspannung stellt sie den Huf muskulär vielleicht sogar noch steiler als sie es im entspannten Zustand tun würde. Das wiederum trägt zum Verbiegen der Zehenwand bei. Am Ende eines Bearbeitungsintervalls hat sie sich den Huf dann gerade wieder „bequem gelaufen“ und wird wieder lockerer. Aber dann geht alles von vorne los…
Vielleicht läuft sie deshalb aktuell verspannter. In weichem Boden kann sie immerhin die Zehen einsinken lassen und es ist dadurch für sie angenehmer, als auf hartem Boden. Je wärmer sie sich läuft, desto dehnfähiger werden die Muskeln und es wird ihr alles etwas weniger unangenehm. Deshalb kann sie sich „einlaufen“…

Mehr zum Thema negative Folgen durch Trachtenkürzen kannst Du z.B. im Text: „Steile Hufe und das Leider der Korrektur“ nachlesen. https://www.dhgev.de/hufthemen/steile-h ... anze-rasch
Grafik - Dr. K. Rasch: Zusammenhänge zwischen Trachtenkorrektur und konkaver Zehenwand
Grafik - Dr. K. Rasch: Zusammenhänge zwischen Trachtenkorrektur und konkaver Zehenwand
Unter 2.2 Der Umgang mit Bockhufen bei erwachsenen Pferden findest du noch einmal Erklärungen und grafische Beispiele. Vielleicht interessiert das ja auch deinen Hufbearbeiter! Dein Pferd hat ja keine steilen Hufe. Aber es gilt das gleiche Prinzip IMMER, wenn man einseitig mehr Trachtenhöhe nimmt!

Damit die Trachten nicht zu lang werden und beispielsweise anfangen unterzuschieben, sollte man sie also nicht einseitig kürzen, sondern so hinterlassen, dass sie sich leicht abreiben können. Dazu macht es Sinn, die Tragedreiecke durchdacht auszuarbeiten und nicht als dicke Flächen stehen zu lassen.
Hier ein Beispiel, was gemeint ist:
Die Tragedreiecke an ihren Hufen könnten sauberer ausgearbeitet werden.
Die Tragedreiecke an ihren Hufen könnten sauberer ausgearbeitet werden.
Tragedreieck gestalten.jpg
Tragedreieck gestalten.jpg
So bearbeitet, kann sich der Tragrand leicht abreiben. Und die zurückgesetzten Hornröhrchen brauchen etwas länger, bis sie wieder nach vorne Richtung „unter den Huf“ schieben.

Überlegung 2:
Das festgehaltene Laufen könnte an der verringerten Tragrandhöhe liegen. Der Hufbearbeiter kürzt ihr die Hufe, damit der hingewachsene Tragrandüberstand nicht einreißt oder wegbricht. Mit mehr Tragrandüberstand ist ihre wahrscheinlich etwas empfindliche Sohle weiter vom harten Boden und somit Druck entfernt. Ohne diesen Überstand bekommen bestimmte Bereiche auf hartem Untergrund sofort Bodengegendruck zu spüren. Man könnte versuchen, ihr etwas mehr Tragrandhöhe stehen zu lassen, um es ihr angenehmer zu machen. Mehr Höhe bedeutet aber auch „längere Hufe“ und somit wieder mehr Hebel. Es kommt dann vielleicht schneller zu Verbiegungen/Ausbrüchen. Es gilt hier ein individuelles Optimum abzuwägen und herauszufinden.

Überlegung 3:
Was mir noch auffällt, sind Einfärbungen vorn an der Sohle nach der Bearbeitung s. Pfeile.
VL sol nachher - Einblutungen.jpg
VL sol nachher - Einblutungen.jpg
VR nach Bearbeitung - Einblutungen.jpg
VR nach Bearbeitung - Einblutungen.jpg
Das scheinen dunkelrot/bräunliche Einblutungen zu sein. Wenn dem so ist, deuten sie definitiv darauf hin, dass es ihr sehr unangenehm ist, Druck auf den vorderen Sohlenbereich zu bekommen. Die Sohlenlederhaut reagierte dort sogar mit etwas Einblutungen in das Horn bei der Hornproduktion. Es sind also quasi „blauen Flecken“. Die Flecken die man jetzt sieht, sind natürlich bereits einige Wochen alt, da bereits vom Ort des Geschehens (Sohlenlederhaut) runtergeschoben. Vielleicht entstehen sie, wenn die Sohlen nach der Bearbeitung wieder vermehrt (unangenehmen) Bodenkontakt haben. Hier könnte es helfen, in diesem Bereich bei der Bearbeitung auch scholliges oder schwielenartiges Horn als Schutz immer stehen zu lassen. Das Laufen über unangenehme Böden (Beton, Steinchen, Schotter) sollte vermieden werden. Zum Reiten/Spazieren gehen u.ä. - vor allem kurz nach der Bearbeitung - erstmal Hufschuhe (ggf. + Einlagen) getragen werden, damit sie freudig und ohne Schmerzimpulse gehen mag.
Vielleicht ist ja irgendetwas davon schon hilfreich, so dass es ihr insgesamt bereits angenehmer wird auf ihren Hufen und sie dann auch wieder weniger angestrengt und munterer unterwegs ist.


Noch einmal zum Blutbild:

Hier ist ein Beispiel eines EMS Profils:
Beispiel EMS Profil - gelb Basalwerte, grün Proxys.jpg
Beispiel EMS Profil - gelb Basalwerte, grün Proxys.jpg
Schaut man sich nur die Basalwerte, also die reinen Blutwerte (gelb umkreist), von Insulin und Glucose an, wiegt man sich möglicherweise in falscher Sicherheit, sollten diese jeweils im Referenzbereich liegen. Nur weil die Basalwerte in den Grenzbereichen liegen, heißt das noch lange nicht, dass bei einem Pferd keine Insulinstörung vorliegt! In diesem Beispiel liegen aber auch die Basalwerte bereits außerhalb der jeweiligen Referenzbereiche.
Sicherer und aussagekräftiger als die reinen Basalwerte sind die sogenannten Proxy-Werte: RISQI und MIRG (grün umkreist). Sie setzen Insulin und Glucose in ein bestimmtes Verhältnis zueinander und geben dadurch mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit korrekte Hinweise auf das Vorliegen einer Insulindysregulation. Dafür ist es wichtig, dass die Pferde vor der Blutabnahme nicht gehungert haben! Die Blutabnahme muss heunüchtern erfolgen! Erfolgt die Blutabnahme nachdem das Pferd mehrere Stunden kein Heu gefressen hat, kann es mit deutlich erhöhter Wahrscheinlichkeit zu falsch negativen Ergebnissen kommen.

Wenn die Blutergebnisse uneindeutig sind, empfiehlt sich ein verträglicher oraler Glucosetoleranztest. Wie dieser vorgenommen wird, erklärt Dr. Konstanze Rasch beispielsweise unter 5.1 Vorschläge für die Praxis - Der Futtertoleranztest im bereits empfohlenen Text: Endokrinopathische Hufrehe im huforthopädischen Alltag - Praktischer Erfahrungsschatz und offene Fragen https://www.dhgev.de/hufthemen/hufrehe/ ... dard-titel

Aber bis dahin gibt es jetzt ja schon einige Dinge, die es erstmal abzuchecken gilt.

Viele Grüße
Nadja Politz

Re: Lange Zehe - Bitte beurteilen

Verfasst: 19.02.2025, 13:41
von Valery
Hallo,

vielen Dank für die ganzen Infos, die Aufklärung und vor allem auch die sehr detaillierten Links zum Thema! Ich habe mittlerweile den ausführlichen Beitrag von Dr. Rasch gelesen und mir ist einiges klarer geworden bezüglich des Stoffwechsels. Alles Zusätzliche werde ich wieder weglassen. Oder macht die Leber-Kur vielleicht noch Sinn (pflanzlich)?

Mit Hufschuhen werde ich mich einmal auseinandersetzen. Würde auch ein Klebebeschlag Sinn machen? Ich denke auch, dass jetzt am Huf "zu wenig" dran ist oder etwas "empfindlicher" ist. Auch vor der Bearbeitung habe ich beispielsweise bemerkt, dass ich an einem Huf die Sohle zwischen Eckstrebe und Hufwand mit dem Daumen etwas eindrücken konnte. Ich habe den Bearbeiter darauf hingewiesen, der meinte aber, das sei nicht so. Er drückte zu diesem Zweck natürlich auch mehrmals auf die Stelle, woraufhin meine Stute ihren Huf immer wegziehen wollte. Ich würde am liebsten die Sohle gar nicht bearbeitet haben.

Die Trachten werden vom Hufbearbeiter wie der gesamte Tragrand von unten abgeraspelt (plan mit der Feile drüber) und fast auf Sohlenniveau angeglichen. Wobei die Trachten an sich schon noch etwas länger stehen gelassen werden, als dies z.B. an der Seitenwand der Fall ist (für mein Empfinden). Ihr genanntes Prinzip, die Trachten auszuarbeiten, verstehe ich leider nicht ganz, tut mir leid. Ich kann auch auf den Bildern nicht so gut erkennen, was Sie meinen. Würden Sie bitte nochmal eine Erklärung wagen? Für mich sieht es so aus, als würde man den Bereich Eckstrebe/Trachte noch einmal mehr ausscheiden... ich glaube nicht, das dem so ist?
Spricht denn etwas dagegen, weiterhin nach Bedarf die Zehe zurückzusetzen? Dann verlagert sich wenigstens der Abrollpunkt nach hinten.

Vielen Dank auch für das Beispiel mit dem Blutbild, dann weiß ich, worauf ich achten muss.

Re: Lange Zehe - Bitte beurteilen

Verfasst: 20.02.2025, 21:33
von Nadja Politz
Hallo Valery,

ich habe die Fragen zum Beantworten einmal extra herausgeschrieben:

…macht die Leber-Kur vielleicht noch Sinn (pflanzlich)?

für stoffwechseltherapeutische Fragen sind wir in diesem Forum hier leider nicht die richtigen Ansprechpartner. Meine Überzeugung ist es, dass alles was wirkt auch unerwünschte (Neben-)Wirkungen haben kann und daher auch „nur“ Pflanzen, die ja hoch wirksam sein können, für ein bestimmtes Tier oder in einem bestimmten Moment ungeeignet sein können. Lieber sollte ein entsprechend ausgebildeter Experte die Gesamtsituation analysieren und dann die passenden Maßnahmen ableiten.

Würde auch ein Klebebeschlag Sinn machen?

Jeder Hufschutz, der permanent am Huf bleibt, egal ob geklebt oder genagelt, bringt eine Reihe von Nachteilen für das Pferd mit sich, die gegenüber den (erhofften) Vorteilen abgewogen werden müssen. Ein paar Denkanstöße dazu findet man beispielsweise hier: https://www.dhgev.de/hufthemen/barhufum ... enbeschlag

Ein Hufschuh hat den großen Vorteil, dass er nur temporär zum Einsatz kommt. In manchen Situationen (Ausritt) oder Phasen (zu kurz geschnitten/Hufrehe) kann der Schutz dann ja auch sehr hilfreich sein. In seiner Freizeit oder wenn das Problem behoben ist, kann das Pferd aber die vielen Vorteile seiner Barhufe dann sofort wieder genießen.

Spricht denn etwas dagegen, weiterhin nach Bedarf die Zehe zurückzusetzen?
Auf den Huffotos nach der Bearbeitung ist sichtbar, dass die Zehe bereits deutlich ausgedünnt wurde. Ich habe die Dicke des Zehentragrandes hier mal eingezeichnet:
Zehendicke.jpg
Zehendicke.jpg
Es ist ja durchaus sinnvoll den Tragrand an Stellen auszudünnen, wo man die Hebelkräfte eindämmen möchte. Es muss hier jedoch darauf geachtet werden, nicht über das Ziel hinauszuschießen und sämtlichen Tragrand in der Zehe wegzuraspeln. Der Tragrand hebt sie ja etwas vom Boden ab. Nimmt man ihr diesen komplett, stellt man die ja offensichtlich empfindliche Sohle auf den Boden, was wiederum unangenehm ist. Die etwas zu schräge Zehe ist ja auch nicht das eigentliche Problem, sie ist ja nur die Folge von...

Die Bearbeitung der Eckstrebe/Trachten erkläre ich gern nochmal. Da brauche ich ein bisschen Zeit für. Ich melde mich dazu, sobald ich dazu komme.

Vielleicht gibt es ja auch einen unserer Huforthopäden oder einen fortgeschrittenen Schüler in Eurer Nähe, der vor Ort mal schauen und einiges noch anschaulicher erklären kann? https://www.dhgev.de/huforthopaeden

Viele Grüße