Hallo Valery,
dass die EMS-Polster verschwunden sind und auch der Mähnenkamm sich mittlerweile weicher anfühlt, sind gute Entwicklungen! Die EMS-Polster sind selbst aktive Hormondrüsen, die den Stoffwechsel ungünstig beeinflussen. Sie zum Schmelzen zu bringen ist häufig schwierig und gelingt oft nicht vollständig. Je mehr davon verschwindet, desto besser. Bei manchen Pferden unterliegen die Polster, - meist am besten am Mähnenkamm festzustellen - fühlbaren Schwankungen. Mal ist der Kamm prall und hart, manchmal sogar warm. Dann wieder wabbelig, weich, nachgiebig. Diese Unterschiede zu bemerken und sie als individuelle Warnzeichen zu deuten und zu nutzen, ist oft hilfreich. Je schlanker und lockerer der Kamm, desto besser. Gleiches gilt für die unterlaufenen Augen.
Dass die Hufe nach der Hufbearbeitung unangenehmer sind als davor ist nicht schön. Man sollte als Hufbearbeiter immer bemüht sein, es dem Pferd im besten Fall sogar bequemer als vorher zu machen. Auf keinen Fall unbequemer. In manchen Situationen ist das „unbequemer Werden“ aber leider auch nicht immer vollständig zu vermeiden. Je nachdem, welche Themen und Baustellen Pferd und Hufe mitbringen. Auf jeden Fall solltest du deine Beobachtungen deinem Hufbearbeiter mitteilen! Nur wenn man um etwas weiß, kann man sich um Besserung bemühen.
Dass sie vor der Bearbeitung und nach dem verlängerten Intervall so viel zufriedener und flott unterwegs war und nach der Bearbeitung jetzt wieder verhaltener, aber auf weichem Boden besser läuft als auf hartem, deutet daraufhin, dass ihr etwas fehlt, was vorher da war…
Überlegung 1:
Kürzt der Hufbearbeiter bei den Bearbeitungen immer aktiv in den Trachten?
Es war ja auch dein Auftrag, das zwischendurch etwas zu tun. Das sollte auf keinen Fall gemacht werden! Das einseitig vermehrte Kürzen in den Trachten führt zu einem erhöhten Zug auf die Beugesehnen. Dies führt zu einem reflektorischen Anspannen der Beugemuskulatur. Ständige Muskelanspannung ist für sich schon unangenehm und anstrengend und durch die Daueranspannung stellt sie den Huf muskulär vielleicht sogar noch steiler als sie es im entspannten Zustand tun würde. Das wiederum trägt zum Verbiegen der Zehenwand bei. Am Ende eines Bearbeitungsintervalls hat sie sich den Huf dann gerade wieder „bequem gelaufen“ und wird wieder lockerer. Aber dann geht alles von vorne los…
Vielleicht läuft sie deshalb aktuell verspannter. In weichem Boden kann sie immerhin die Zehen einsinken lassen und es ist dadurch für sie angenehmer, als auf hartem Boden. Je wärmer sie sich läuft, desto dehnfähiger werden die Muskeln und es wird ihr alles etwas weniger unangenehm. Deshalb kann sie sich „einlaufen“…
Mehr zum Thema negative Folgen durch Trachtenkürzen kannst Du z.B. im Text:
„Steile Hufe und das Leider der Korrektur“ nachlesen.
https://www.dhgev.de/hufthemen/steile-h ... anze-rasch

- Grafik - Dr. K. Rasch: Zusammenhänge zwischen Trachtenkorrektur und konkaver Zehenwand
Unter
2.2 Der Umgang mit Bockhufen bei erwachsenen Pferden findest du noch einmal Erklärungen und grafische Beispiele. Vielleicht interessiert das ja auch deinen Hufbearbeiter! Dein Pferd hat ja keine steilen Hufe. Aber es gilt das gleiche Prinzip IMMER, wenn man einseitig mehr Trachtenhöhe nimmt!
Damit die Trachten nicht zu lang werden und beispielsweise anfangen unterzuschieben, sollte man sie also nicht einseitig kürzen, sondern so hinterlassen, dass sie sich leicht abreiben können. Dazu macht es Sinn, die Tragedreiecke durchdacht auszuarbeiten und nicht als dicke Flächen stehen zu lassen.
Hier ein Beispiel, was gemeint ist:

- Die Tragedreiecke an ihren Hufen könnten sauberer ausgearbeitet werden.

- Tragedreieck gestalten.jpg
So bearbeitet, kann sich der Tragrand leicht abreiben. Und die zurückgesetzten Hornröhrchen brauchen etwas länger, bis sie wieder nach vorne Richtung „unter den Huf“ schieben.
Überlegung 2:
Das festgehaltene Laufen könnte an der verringerten Tragrandhöhe liegen. Der Hufbearbeiter kürzt ihr die Hufe, damit der hingewachsene Tragrandüberstand nicht einreißt oder wegbricht. Mit mehr Tragrandüberstand ist ihre wahrscheinlich etwas empfindliche Sohle weiter vom harten Boden und somit Druck entfernt. Ohne diesen Überstand bekommen bestimmte Bereiche auf hartem Untergrund sofort Bodengegendruck zu spüren. Man könnte versuchen, ihr etwas mehr Tragrandhöhe stehen zu lassen, um es ihr angenehmer zu machen. Mehr Höhe bedeutet aber auch „längere Hufe“ und somit wieder mehr Hebel. Es kommt dann vielleicht schneller zu Verbiegungen/Ausbrüchen. Es gilt hier ein individuelles Optimum abzuwägen und herauszufinden.
Überlegung 3:
Was mir noch auffällt, sind Einfärbungen vorn an der Sohle nach der Bearbeitung s. Pfeile.

- VL sol nachher - Einblutungen.jpg

- VR nach Bearbeitung - Einblutungen.jpg
Das scheinen dunkelrot/bräunliche Einblutungen zu sein. Wenn dem so ist, deuten sie definitiv darauf hin, dass es ihr sehr unangenehm ist, Druck auf den vorderen Sohlenbereich zu bekommen. Die Sohlenlederhaut reagierte dort sogar mit etwas Einblutungen in das Horn bei der Hornproduktion. Es sind also quasi „blauen Flecken“. Die Flecken die man jetzt sieht, sind natürlich bereits einige Wochen alt, da bereits vom Ort des Geschehens (Sohlenlederhaut) runtergeschoben. Vielleicht entstehen sie, wenn die Sohlen nach der Bearbeitung wieder vermehrt (unangenehmen) Bodenkontakt haben. Hier könnte es helfen, in diesem Bereich bei der Bearbeitung auch scholliges oder schwielenartiges Horn als Schutz immer stehen zu lassen. Das Laufen über unangenehme Böden (Beton, Steinchen, Schotter) sollte vermieden werden. Zum Reiten/Spazieren gehen u.ä. - vor allem kurz nach der Bearbeitung - erstmal Hufschuhe (ggf. + Einlagen) getragen werden, damit sie freudig und ohne Schmerzimpulse gehen mag.
Vielleicht ist ja irgendetwas davon schon hilfreich, so dass es ihr insgesamt bereits angenehmer wird auf ihren Hufen und sie dann auch wieder weniger angestrengt und munterer unterwegs ist.
Noch einmal zum Blutbild:
Hier ist ein Beispiel eines EMS Profils:

- Beispiel EMS Profil - gelb Basalwerte, grün Proxys.jpg
Schaut man sich nur die Basalwerte, also die reinen Blutwerte (gelb umkreist), von Insulin und Glucose an, wiegt man sich möglicherweise in falscher Sicherheit, sollten diese jeweils im Referenzbereich liegen. Nur weil die Basalwerte in den Grenzbereichen liegen, heißt das noch lange nicht, dass bei einem Pferd keine Insulinstörung vorliegt! In diesem Beispiel liegen aber auch die Basalwerte bereits außerhalb der jeweiligen Referenzbereiche.
Sicherer und aussagekräftiger als die reinen Basalwerte sind die sogenannten Proxy-Werte: RISQI und MIRG (grün umkreist). Sie setzen Insulin und Glucose in ein bestimmtes Verhältnis zueinander und geben dadurch mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit korrekte Hinweise auf das Vorliegen einer Insulindysregulation. Dafür ist es wichtig, dass die Pferde vor der Blutabnahme nicht gehungert haben! Die Blutabnahme muss heunüchtern erfolgen! Erfolgt die Blutabnahme nachdem das Pferd mehrere Stunden kein Heu gefressen hat, kann es mit deutlich erhöhter Wahrscheinlichkeit zu falsch negativen Ergebnissen kommen.
Wenn die Blutergebnisse uneindeutig sind, empfiehlt sich ein
verträglicher oraler Glucosetoleranztest. Wie dieser vorgenommen wird, erklärt Dr. Konstanze Rasch beispielsweise unter
5.1 Vorschläge für die Praxis - Der Futtertoleranztest im bereits empfohlenen Text:
Endokrinopathische Hufrehe im huforthopädischen Alltag - Praktischer Erfahrungsschatz und offene Fragen https://www.dhgev.de/hufthemen/hufrehe/ ... dard-titel
Aber bis dahin gibt es jetzt ja schon einige Dinge, die es erstmal abzuchecken gilt.
Viele Grüße
Nadja Politz