Hallo,
gerade wenn das Pferd jetzt in die Klinik geht, möchte ich zu einigen Dingen nochmal meine huforthopädische Meinung anbieten, damit Aussagen, die ab sofort vielleicht gemacht werden, vor irgendwelchen Entscheidungen nocheinmal entsprechend durchgedacht werden können.
Hufbeinrotation im Röntgenbild
Eine echte Hufbeinrotation ist, vor allem wenn die Brechung im Hufgelenk in so einem geringen Maße vorliegt wie hier, ausschließlich anhand von Verlaufsröntgenbildern sicher zu diagnostizieren. Die Ausrichtung der Zehenachse, vor allem die Winkelung des Hufgelenkes im Moment einer Röntgenaufnahme ist von diversen Einflüssen abhängig.
Je nachdem, wie das Pferd in diesem Moment auf seinem Huf stand, hat dies einen deutlichen Einfluss auf den Verlauf der Zehenachse. War es entspannt und stand mit geradem Röhrbein zum Boden? Hatte es sich nach vorn oder hinten gelehnt oder kippelte, weil aufgeregt? Wurde es mit einem Fuß erhöht auf einen Podoblock gestellt und mit dem anderen nicht oder wurde die Partnergliedmaße angehoben beim Röntgenvorgang? All dies macht deutliche Veränderungen in der Hufbeinwinkelung.
Dieses Phänomen ist gerade im Beitrag „Reheschub an Blättchenschicht erkennbar“ Thema gewesen (Beitrag von Konstanze Rasch am 08.04.2023).
Hier nocheinmal die Röntgenbilder aus jenem Beitrag:
- Vergleich Röbi VL lat mit und ohne Podoblock_Linien.jpg
Links: der Huf wurde zunächst ohne Podoblock geröngt. Die Zehenachse verläuft nahezu gestreckt.
Rechts: der Hufe wurde danach nocheinmal Huf mit Podoblock geröngt. Die Folge: eine Brechung im Hufgelenk (Flexion).
Die andere Aufstellung und Belastung des Beines durch das Pferd führt zu einer Flexion im Hufgelenk. Anhand dieser Brechung ist mitnichten eine Hufbeinrotation zu diagnostizieren!
Es wird deutlich, dass es genau zu bedenken ist, wie genau und unter welchen Umständen eine Röntgenaufnahme entsteht, wenn man daraus bestimmte Schlüsse ziehen oder gar Diagnosen stellen will.
Wandrotation vs. Hufbeinrotation
In den allermeisten Fällen von Hufrehe bekommt man eine
Wandrotation zu Gesicht. Je nach Ausprägung des Rehegeschehens erfolgt dieses Wegweichen der Hornwand bereits innerhalb von wenigen Stunden bis Tagen. Wenn die Rehesymptomatik weiter anhält, kann sich dieses Geschehen natürlich auch über längere Zeiträume erstrecken.
Eine echte
Hufbeinrotation entsteht allermeist erst, wenn die Rehe-Schmerzen über Wochen anhalten und auch die Vorgänge im Hufbeinträger in dieser Zeit nicht zur Ruhe kommen. Durch die anhaltenden Schmerzen wird die Beugemuskulatur dauerhaft und extrem angespannt, was dazu führt, dass auch die Spannung in der tiefen Beugesehne dauerhaft zunimmt und das Pferd dadurch seine Hufbein steiler stellt. Das Ergebnis ist eine „echte“ Hufbeinrotation.
Da weder Tierärzte noch Hufschmiede beim Anblick einer Schere zwischen Hufbein und Hornwand auf dem Röntgenbild unterscheiden zwischen den Phänomenen Hufbeinrotation und Wandrotation, wird gewohnheitsmäßig eine Hufbeinrotation diagnostiziert. So wird der Begriff „Hufbeinrotation“ im Lehrbuch des Hufbeschlages „Der Huf“ (Litzke (Hrsg.), 2020, 7., vollständig überarbeitete Auflage, S.276) definiert als: „…Divergenz zwischen dorsaler Huf- und Hufbeinwand“ … sowie: „deutlich verbreiterter Abstand von Horn- und Hufbeinwand.“
Gezeigt wird dabei ein Röntgenbild mit ungebrochener Zehenachse!
Regeneration des Hufbeinträgers
Eine Wandrotation ist nach erfolgreichem Abstellen der Auslöser und je nach Schwere der erfahrenen Schäden im Hufinneren vollständig reversibel. Und zwar einfach dadurch, dass die Funktionseinheit Hufbeinträger einwandfrei neu produziert wird, sobald die „Störungen“ die zu dem „nicht mehr zuverlässig Halten“ des Hufbeinträgers geführt haben, abgestellt sind.
Das ist ja das Schöne am Huf - Er baut sich stetig neu und so können solche Defekte „einfach“ herauswachsen, wenn die Umstände stimmen. Ganz wichtig ist - Dazu braucht es keine besonderen Kniffe und Tricks am Huf!
Wenn man das Herauswachsen der Reheschäden „einfach geschehen“ lässt und sich nicht daran stört, dass die Hornkapsel in der Phase des Herauswachsens der Schäden eine andere Optik hat, als ein gesunder Huf, dann erhält man etwa ein Jahr nach dem Reheschub einen vollständig wiederhergestellten, tüchtigen Huf, dem man seine überstandene Erkrankung im besten Falle nicht mehr ansieht.
Maßnahmen, die optisch einen gesund aussehenden Huf herstellen wollen (Zehe kappen, Trachten kürzen) stören diesen Prozess, der nun einmal so lange dauert, wie es dauert, bis alles herausgewachsen ist. Und nicht zuletzt führen sie oft zum Gegenteil des Gewünschten und richten irreversible Schäden an.
Ich empfehle Ihnen dringend das Buch „Diagnose Hufrehe“ von Konstanze Rasch zu lesen, um möglichst vieles an der Erkrankung und vor allem auch an der typischen Diagnostik und den gängigen Behandlungsweisen besser zu verstehen und dann selber gut informiert Entscheidungen treffen zu können!
Viele Grüße und alles Gute
Nadja Politz